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Das Design des Citroën Ami6

Beginn einer Evolution

Flaminio Bertoni Abb. 1: Flaminio Bertoni

Die für das Design bei Automobiles Citroën zuständige Fachabteilung, das „Bureau des Etudes“, arbeitet und entwickelt kontinuierlich weitere Modelle, zunächst basierend auf Basis von 2CV und DS, und integriert Kompetenzen von Panhard, nachdem 1955 von diesem Unternehmen ein Minderheitsanteil von 25% erworben wurde.

Louis Bionier (1898-1972), verantwortlich für Karosseriedesign bei Panhard, ist an den ersten Entwürfen sichtbar mit beteiligt - man sieht den Skizzen deutliche Einflüsse vom Panhard Dynavia an. Und die Arbeiten werden konkreter - man evoluiert und variiert verschiedenste Konzepte. Kann eine Eigenständigkeit stilistisch erreicht werden?

Bereits 1955 werden erste Überlegungen angestrengt, die Modellpalette bei Citroën zu erweitern. Formal angelehnt sind diese Entwürfe an die DS - man erkennt Grundzüge des DS Break ebenso wie erste Tendenzen zu einer eigenständigen Modell-Linie.

Mit dem Pflichtenheft von Bercot werden die Aufgaben hierzu formal und offiziell eingeleitet. 1957 entstehen die ersten konkreteren Entwürfe für den späteren Ami6, und das Projekt bekommt den Codenamen „M“ („milieu du gamme“, „mittlere Klasse“) und später „AM“.

Mit dem Design beauftragt wird das Team von Flaminio Bertoni (1903-1964), jenem genialen Skulpteur und Designer, der schon für den Traction Avant, den HY, den DS und auch den 2CV verantwortlich zeichnet - nein, eigentlich besser gesagt formt: er ist der Erfinder des 3D-Volumenmodells, einer greifbaren und von allen Seiten betrachtbaren Miniaturversion des ansonsten auf dem Reißbrett entworfenen Modells. Er und sein persönlicher Assistent Henri Dargent (seit 1957 dabei) sowie Robert Opron, der im Oktober 1962 zum „Bureau des Etudes“ stößt, bilden das Kernteam der im wahrsten Sine des Wortes verantwortlich zeichnenden Designer.

Design-Prototypen und Entwürfe

Die Virtuelle Citroën Ami6 Garage enthält auch eine Galerie der Design-Entwürfe und Prototypen-Zeichnungen zum Ami6.

Die besondere Heckscheibe: "La Ligne en Z" - keine Alternative möglich.

Ami6-Heckscheibe,\\Bild im ersten Ami6 Prospekt 1961 Abb. 2: Ami6-Heckscheibe, Bild im ersten Ami6 Prospekt 1961

Auf Basis der Vorgaben der Direktion lassen sich allerdings nicht viele Entwürfe für eine Limousine konstruieren, und so kommt man beinahe zwangsläufig zu einem Entwurf, der die bis dato bei Automobiles Citroën einzigartige „inverse“, nämlich nach innen gekehrte Heckscheibe vorsieht.

Sie gestattet die Verwendung einer großen Kofferraumklappe und zugleich bietet sie den Heckpassagieren ausreichend Kopffreiheit. Und sie ist auch ein Diktat des Pflichtenhefts - bei unter 4m Länge eine Stufenhecklimousine mit akzeptabel zugänglichem Kofferraum zu schaffen, bleibt anders kaum zu lösen!

Revolutionär oder gar „Weltneuheit“ ist sie genau betrachtet aber nicht:

der 1953 Packard Balboa, 1955 Predictor sowie der 1957 Lincoln Continental MKIII, der Ford Anglia und Mercury Monterray (beide 1959) wiesen dieses Designelement bereits in jenem Jahrzehnt auf. Aber in Frankreich hat noch kein anderer Hersteller solch eine - sicherlich die potentiellen Käufer polarisierende - nach innen gerichtete Heckscheibe realisiert. Im März 1958 steht dieses Detail bereits fest in den Entwürfen und soll sich in den späteren Jahren nicht mehr ändern.

Übrigens: Was nach heutigem Käufergeschmack sicherlich zu einem „designtechnischen Nischenmodell“ sprich geringen Verkaufzahlen geführt hätte, war in Frankreich ganz anders: der Ami6 wurde 1966 in der Zulassungsstatistik zum meistverkauften Auto Frankreichs geführt!

 Ami6-Prospekt USA Abb. 3: Ami6-Broschüre USA

In anderen Märkten war man sich nicht so ganz sicher, ein Auto mit diesem polarisierenden Design an den potentiellen Kunden oder Kundin zu bringen - man schaue sich beispielsweise die amerikanischen Broschüren an: hier wird der Ami6 von der Seite dargestellt, und man postiert eine nette junge Amerikanerin so vor die C-Säule, daß gerade dieser Teil der Fahrzeugsilhouette verdeckt wird.

Man mag sich die überraschten Gesichter der Kunden in den Showrooms nicht vorstellen, als diese den Ami „ohne Dame“ dann sahen. Ein Verkaufserfolg wurde der Ami6 in den USA jedenfalls nicht…

Weltneueit: rechteckige Scheinwerfer am Ami6

Cibie-Rechteck-Scheinwerfer Abb. 4: Cibie-Reflektor mit 20% mehr Ausleuchtung

Die Firma Cibie wurde beauftragt, ein neues Konzept für eine verbesserte Lichtausbeute bei vorgegebenem rechteckigem Leuchtengehäuse auszuarbeiten, und so entstand als Weltpremiere eine neuartige Konstruktion.

Gegenüber den bis dato üblichen, konventionellen Scheinwerfern runder Bauweise wurden nun in der neuen, rechteckigen Form zwei zusätzliche Mini-Reflektoren ober- und unterhalb der Glühlampe integriert. Die Berechnungen zeigen, daß mit ihrer Hilfe eine um rund 20% verbesserte Lichtausbeute erreicht werden kann.

Diese Konstruktion ist allerdings nur sehr aufwendig herzustellen, und die originalen Ersatzteilpreise sind hoch. Daher wurden insbesondere bei Nachfertigungen auch von anderen Herstellern als Cibie auf diese ursprünglich zusätzlichen kleinen Reflektoren verzichtet.

Auch heute sind diese Ersatzteile - so sie dann die kleinen Reflektoren haben - sehr gefragt: ein Detail also, auf das man beim Nachkauf oder Austausch schon achten sollte!

Die Standlichtbirne sitzt auf der Birnenfassung, also hinter dem Scheinwerfergehäuse und damit im Motorraum, und leuchtet durch einen kleinen Sektorschlitz in der Fassung der Abblendlichtbirne nach vorn. Sie ist damit eine hervorragende Motorraum-Notbeleuchtung für evtl. Reparaturen oder Wartungsarbeiten im Dunkeln (- der ironische Kommentar sei hier erlaubt…), aber für den Strassenverkehr beim Fahren in der Dämmerung (Schalterstellung „V“ = Ville) von anderen Verkehrsteilnehmern nicht sonderlich gut zu erkennen.

Wie auch beim 2CV können die kompletten Reflektoren in ihrer Neigung komortabel über ein Drehrad im Innenraum unter dem Armaturenbrett stufenlos verstellt werden, um ein Blenden des Gegenverkehrs bei erhöhter Beladung des Fahrzeugs zu vermeiden.

Der Ami6, Bertonis favorisiertester Entwurf

Die Entwicklung eines Automobils ist eine Gemeinschaftsleistung eines Teams. Jedes Detail wird zusammen mit anderen erarbeitet und diskutiert - die Ergebnisse sind nie nur durch einen Einzelnen realisiert. Und ein jeder bringt seine besonderen Fähigkeiten mit ein, die sich mit den anderen Migliedern des Teams ideal ergänzen.

Dennoch hatte der Citroën DS beispielsweise nach Bertonis Verständnis zu viele Väter - zu viele, die beim Entwurf mitreden und insbesondere mitentscheiden wollten.

Das Diktat Dritter - eine für einen Skulpteur wie Bertoni sicherlich sehr schwierige Situation, wenn die persönliche, aus etlichen Studien und Synthesen entwickelte, beinahe logisch schlußgefolgerte und dennoch mühsam erarbeitete Form eines Automobils dann durch andere persönliche und technisch bedingte Entscheidungen wieder umgeworfen und neu konzipiert werden muss, um den Ansprüchen anderer - und hier sind besonders Verantwortlichkeiten außerhalb des „Bureau des Etudes“ gemeint - gerecht werden zu können, nein müssen…

Beim Ami6 war dies anders. Hier konnte das Team des „Atelier Bertoni“ unter der Leitung des Chefs seine Entwürfe endlich selbständig ausarbeiten und letztendlich zu dem Modell entwickeln und insbesondere formen, das wir heute kennen. Bertoni, der ständig von Natur, der Konkurrenz und natürlich dem eigenen Team inspirierte und formenschaffende Künstler, hat hier endlich sein gewünschtes und anerkanntes Modell schaffen können.

Der Ami6 wurde von Bertoni selbst wegen diesen Aspekten immer als der favorisierteste aller von ihm entwickelten Citroën hervorgehoben.

Ein Entwurf in drei Dimensionen

 Atelier Bertoni, Rue du Theatre, Ami6-Entwurf, man beachte die Modelle im Hintergrund! Abb. 5: Atelier Bertoni, Rue du Theatre

Henri Dargent (geb. 1931), der eine Ausbildung als Industrie-Zeichner abgeschlossen hat, seit 1945 bei Citroën in der Karosserie-Ateliers arbeitet und im Jahr 1951 (andere Quellen sprechen von 1953) die Bekanntschaft Bertonis macht, beschäftigt sich vorzugsweise mit Skizzen und Entwürfen. Das Umsetzen der zweidimensionalen Ideen in kleine 3D-Modelle, die „Maquettes“, liegt ihm nicht so sehr, und er wirkt zeitweise ein wenig verloren vor ihnen - doch gibt das „Volumen“ des Modells erst einen realitätsnahen Eindruck: mehr, als die Zeichnung es je zu leisten vermag.

Hier ist Raoul Henriqués-Raba (geb. 1930), der im Jahr 1955 den „Grand Prix de Rome“ für sein künstlerisches Werk als Skulpteur erhalten hat und von 1959 bis 1962 im Bureau arbeitet, für Bertoni sehr inspirierend. Von ihm werden viele Details der fließenden Formen, die Bertoni sehr favorisiert, weiter verfeinert und in die ersten 3D-Modelle eingearbeitet.

Vorzugsweise werden die Modelle in speziell aufbereitetem, durch Schwefel angereicherten Lehm („terre americaine“) gefertigt, teils auch Quarzsand mit Wasserglas als Bindemittel oder in Gips auf Holzunterkonstruktionen.

Nach Bertonis Tod übernimmt 4 Monate später Robert Opron die Verantwortung, der „Style Citroën“ wird geprägt durch ein von Opron zusammengestelltes Team. Neben Dargent sind es Harmand (ab 1964 dabei), Giret (1965) und ab 1966 Charreton, sowie die zuarbeitenden Stylisten Nozati (1965), Gromik und Albertus (1966), die die Kernmannschaft bilden.

design.txt · Zuletzt geändert: 2009/12/21 09:13 (Externe Bearbeitung)